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Unklarheit über Aufwand durch kinderzahlabhängige Pflegeversicherungsbeiträge

31.03.2023

Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für ein Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) wurde Ende März 2023 nach massiver Kritik geändert (Link auf die BMG-Seite, wo derzeit (nur) der erste Referentenentwurf abrufbar war sowie eine Vielzahl von Stellungnahmen). Auch aba und AKA hatten sich in einer gemeinsamen Stellungnahme vom 10. März 2023 zu dem Gesetzentwurf geäußert. Die zunächst für Ende März geplante Verabschiedung im Bundeskabinett wurde um voraussichtlich eine Woche verschoben. Einige der Änderungen tragen den Sorgen von Trägern der betrieblichen Altersversorgung vor hohen und unnötigen Belastungen Rechnung. Bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens verbleiben aber Unsicherheiten.

Das für die bAV relevanteste Element der Reform ist die Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 (Aktenzeichen: 1 BvL 3/18 und weitere). Im Urteil wurde festgestellt, dass ungeachtet des im Jahr 2004 eingeführten Beitragszuschlags für kinderlose Versicherte (zunächst 0,25 Prozentpunkte, seit 1.1.2022 0,35 Prozentpunkte) in der gesetzlichen Pflegeversicherung die von der Kinderzahl unabhängige gleiche Beitragsbelastung eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung begründet. Der überarbeitete Referentenentwurf sieht vor, Eltern in der Zeit, in der typischerweise Erziehungsaufwand anfällt, durch eine kinderzahlbezogene Ermäßigung zu entlasten, bis zum vollendeten 25. Lebensjahr eines Kindes. Diese soll 0,25 Prozentpunkte betragen, einsetzend ab dem zweiten Kind bis maximal 0,6 Prozentpunkte für Eltern mit mehr als fünf Kindern. Der erste Referentenentwurf sah noch lebenslang 0,15 Prozentpunkte ab dem zweiten Kind vor. Das Urteil des BVerfG (Rz. 371) hat dem Gesetzgeber die Wahl zwischen den Varianten „lebenslang“ und „begrenzt“ gelassen. Unklar ist, ob es nach dieser Korrektur bei dem gleichen Verständnis von „Elternschaft“ bzw. „Kind“ bleiben kann, das dem 2004 eingeführten Beitragszuschlag für Kinderlose zugrunde liegt. Dieses ist weit gefasst und umfasst auch Adoptionen, Stief- und Pflegeelternschaften u.v.m.

Eine weitere Änderung am Referentenentwurf betrifft einen Aspekt, den aba und AKA nachdrücklich kritisiert haben: die Erhebung der Informationen über die Kinderzahl durch die beitragsabführenden Stellen. Dies betrifft Versorgungsträger der bAV im Rahmen des „Zahlstellenverfahrens“. Diese wären künftig verpflichtet, eigene Abfragen unter ihren Leistungsbeziehern durchzuführen. Durch die Vielfalt der möglichen Belege für den Nachweis der Elterneigenschaft (die “Grundsätzlichen Hinweise“ des GKV-Spitzenverbands enthalten eine Aufzählung von 18 Möglichkeiten) wäre dies mit hohem Aufwand verbunden. Neu einzubeziehen wären in die Abfragen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, die von der Regelung über den Beitragszuschlag bislang ausgeschlossen waren. Vgl. hierzu auch die Pressemitteilung der aba vom 28. März 2023.

Hinzu käme der Aufwand für Anpassungen bei Software und Administrationsprozessen. Beide Arten von Erfüllungsaufwand werden nach Einschätzung von aba und AKA in den Referentenentwürfen stark unterschätzt. Die jüngsten Änderungen am Referentenentwurf könnten den Aufwand sogar noch steigen lassen, da künftig auch die Geburtsdaten von Kindern erfasst werden müssten.

Hoffnung erlaubt eine im zweiten Referentenentwurf vorgenommene Ergänzung. Diese verpflichtet das Bundesgesundheitsministerium gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein alternatives Erhebungsverfahren bis 1. Juli 2023 zu entwickeln. Laut Begründungsteil soll dieses „einheitliche, zentralisierte und digitalisierte Verfahren [zeitnah] installiert werden“ und „die beitragsabführenden Stellen soweit als möglich vor zusätzlichem Aufwand bewahren.“ In ihrer Stellungnahme hatten aba und AKA die Nutzung bereits bestehender elektronischer Meldeverfahren als Alternative zur Direkterhebung angeregt.

Unverändert soll die Reform am 1. Juli 2023 in Kraft treten. Die Frist für eine nachträgliche Korrektur von Beitragszahlungen, falls Nachweise erst nach dem 1. Juli 2023 vorgelegt werden, soll - auch dies hatten aba und AKA angeregt - um ein Jahr, bis 31. Dezember 2024, verlängert werden. Gesetzlich Pflegeversicherte und ihre Versorgungsträger würden so Zeit für die Umsetzung gewinnen. Die praktischen Auswirkungen und die tatsächlichen, zeitlich bestenfalls erst mittelfristig wirksamen Entlastungswirkungen durch die im Kern zu begrüßenden Änderungen am Gesetzentwurf bleiben aber abzuwarten.

Aktualisierung am 5. April 2023: Am 5. April wurde die unten abrufbare Fassung nach Abschluss der Ressortabstimmungen im Bundeskabinett verabschiedet.