2024-07-26 aba nimmt Stellung zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze

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aba nimmt Stellung zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze

26.07.2024
aba nimmt Stellung zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und  zur Änderung anderer Gesetze

Im Koalitionsvertrag des Jahres 2021 haben die Koalitionspartner das Ziel definiert: „Die betriebliche Altersversorgung wollen wir stärken, unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen. Zusätzlich muss das mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz bereits in der vorletzten Legislaturperiode auf den Weg gebrachte Sozialpartnermodell nun umgesetzt werden.“ Insbesondere an dieser Zielsetzung gilt es den vorliegenden Referentenentwurf für ein 2. Betriebsrentenstärkungsgesetz und später auch das Gesetz zu messen. Die Kontrollfragen müssen also lauten: Wird durch diese Reformmaßnahmen die betriebliche Altersversorgung gestärkt? Werden die richtigen Anreize gesetzt? Werden Fehlanreize beseitigt?

Diesem Referentenentwurf ist ein gelungener, ausführlicher und umfassender Fachdialog zu verschiedenen Schwerpunkten rund um die betriebliche Altersversorgung vorausgegangen, in den sich die aba mit umfangreichen Stellungnahmen und weiteren Beiträgen eingebracht hat. Auch im Lichte dieser Beiträge, die immer noch aktuell sind, nehmen wir zu dem Referentenentwurf Stellung.

Optionsmodelle, das zeigen die Erfahrungen im Ausland, sind in der Lage, die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu steigern. Es ist daher zu begrüßen, dass in Zukunft auch bei uns mehr Betriebe eine automatische Entgeltumwandlung für ganze Belegschaften rechtssicher vereinbaren können. Der Referentenentwurf sieht allerdings als Voraussetzung vor, dass sich der Arbeitgeber mit einem 20%-igen Zuschuss beteiligen muss. Wir fürchten, dass daran viele solcher Modelle scheitern werden. Hier muss nachgebessert werden.

In Zukunft soll in einem Arbeitsvertrag ein nicht-einschlägiger Tarifvertrag über ein Sozialpartnermodell auch dann in Bezug genommen werden können, „wenn das Arbeitsverhältnis in den Organisationsbereich einer Gewerkschaft fällt, die das Sozialpartnermodell trägt“. Damit bleibt es zwar beim Tarifvorbehalt, aber es wird die Möglichkeit geschaffen, auf der Basis einer beiderseitigen Freiwilligkeit über die Einbeziehung tariffremder Arbeitnehmer zu entscheiden. Im Detail wird man die eine oder andere Regelung noch anpassen müssen. Aber jetzt kommt es vor allem auf die (potentiell) Beteiligten an, ob die attraktiven Sozialpartnermodelle Fahrt aufnehmen.

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz hat mit dem § 100 EStG ein neues, höchst erfolgreiches steuerliches Fördermodell zum Ausbau der betrieblichen Altersversorgung speziell für Geringverdiener eingeführt. Allein in den ersten drei Jahren (2018, 2019 und 2020) nach Einführung der neuen Förderung – neue Zahlen gibt es derzeit leider nicht – haben mehr als 82.000 Unternehmen diese Förderung für über eine Million Arbeitnehmer genutzt. Es ist gut, dass man im Referentenentwurf unserer Empfehlung gefolgt ist und die relevante Einkommensgrenze jährlich in dem Umfang der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung ansteigen lassen will. Es ist aber bedauerlich, dass es keine Verbesserung der Anreize für Arbeitgeber gibt, die Förderquote bleibt bei 30%. Wir hoffen auf bessere Staatsfinanzen und eine klare Priorisierung der betrieblichen Altersversorgung beim erforderlichen Ausbau der kapitalgedeckten Altersvorsorge für Arbeitnehmer.

Im Fachdialog haben wir mit ausführlichen Begründungen eine gesamtheitliche Überprüfung und Weiterentwicklung der nationalen Anforderungen an die Kapitalanlage, die Bedeckung und das Risikomanagement eingefordert. Die Anlageverordnung soll im Hinblick auf „mehr Rendite“ und die erforderlichen Infrastruktur- und Digitalisierungsinvestitionen weiterentwickelt werden. Regelungen zur temporären Unterdeckung von Pensionskassen wollen geschaffen werden. Wir unterstützen die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen und schlagen an einigen Stellen noch Konkretisierungen und kleinere Änderungen vor. Im Nachgang des Gesetzgebungsverfahrens muss die Aufsichtsbehörde BaFin den Altersversorgungseinrichtungen auch den durch die neuen Regelungen geschaffenen zusätzlichen Spielraum nutzen lassen (z.B. Stichwort „BaFin-Stresstest“), so dass in der Praxis „mehr Rendite“ erzielt werden kann.

Wieder einmal findet sich in einem bAV-Reformpaket nichts zur Verbesserung unseres deckungsmittelstärksten Durchführungsweges, der Direktzusage. Die ertragssteuerliche und handelsbilanzielle Bewertung von Direktzusagen muss dringend angepasst und so weit wie möglich vereinheitlicht werden.

Enttäuschend ist auch, dass immer von Entbürokratisierung gesprochen wird, aber den Worten kaum Taten folgen. Die Verwaltungserleichterungen beim PSVaG sind gut. Schlecht ist, dass wir immer noch keinen Gleichklang haben zwischen den Schriftformerfordernissen im Nachweisgesetz und im Steuerrecht. Und dies, obwohl das den Staat nichts gekostet hätte. Die Unternehmen könnten aber viel einsparen. Es bleibt daher bei unseren Forderungen: Die betriebliche Altersversorgung muss digitaler werden (dürfen). Auf eine undifferenzierte Einbeziehung der Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) in die horizontale Finanzmarktregulierung auf europäischer und nationaler Ebene, in der regelmäßig den Geschäftszweck einer EbAV, das Dreiecksverhältnis, in dem die EbAV agiert, die Rolle der Sozialpartner bei der bAV und die Rolle der EbAV auf dem Finanzmarkt, ignoriert wird, muss vermieden werden. Denn die so für EbAV entstehende Regulierung kann meist überhaupt nicht oder nur mit unvertretbarem Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Begünstigten umgesetzt werden kann. Bei der FIDA-Verordnung, die einen Zugang zu Finanzdaten EU-weit regeln will, wurde hier hoffentlich ein gangbarer Weg für EbAV gefunden.

Viele gute, manchmal kleine, Reformschritte in diesem Entwurf für ein 2. Betriebsrentenstärkungsgesetz gehen in die richtige Richtung. Auch mit kleinen Schritten kommt man vorwärts. Das stimmt, doch mit größeren Schritten kämen wir deutlich schneller ans Ziel. Doch die großen Schritte scheitern an verfassungsrechtlichen Hürden wie dem Bestands- oder Besitzstandsschutz oder an knappen Kassen, wie etwa höhere Förderquoten bei der Geringverdienerförderung, Gleichschritt von Steuer- und Beitragsfreiheit, Beseitigung der Dotierungsgrenzen bei den externen Durchführungswegen und sachgerechte Lösungen beim Rechnungszins der Direktzusagen. Dennoch werden die entsprechenden Forderungen von uns weiterhin aufrechterhalten und später auch in dem parlamentarischen Prozess eingebracht werden.

 

Zusammenfassung der Stellungnahme

Die aba begrüßt den Referentenentwurf für das 2. Betriebsrentenstärkungsgesetz und unterstützt die sozialpolitisch notwendige Stärkung der betrieblichen Altersversorgung. Neben der Stellungnahme zu den zahleichen vorgesehenen Änderungen zeigen wir weiteren Diskussions- und Handlungsbedarf auf.

Anhebung der Abfindungsgrenzen: Wir begrüßen es, dass die Abfindungsmöglichkeiten von Kleinstanwartschaften, bei denen die spätere Leistungshöhe und die Verwaltungskosten in keinem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen, erweitert werden sollen. Wir bezweifeln aber, dass der hier gewählte Weg aufgrund seines großen Verwaltungsaufwandes zielführend sein wird. Es wäre sinnvoller, bei zustimmungsfreien Abfindungen die Abfindungsgrenze in § 3 Abs. 2 BetrAVG auf 2% bzw. 24/10 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV anzuheben. Für die sehr aufwändige Abfindungsregelung des § 3 Abs. 2a BetrAVG-E sollte als Abfindungshöhe (wie vor 2005) ein Wert von 4% bzw. 48/10 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV gelten.

Vorzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente: Die vorgeschlagene Regelung, die grds. auch einen Rechtsanspruch auf Betriebsrente im laufenden Arbeitsverhältnis vorsieht, wird bei den Arbeitgebern und Versorgungseinrichtungen erheblichen Aufwand auslösen. Sie führt insbesondere dann zu großem Verwaltungsaufwand, wenn gleichzeitig der Anspruch auf Entgeltumwandlung geltend gemacht wird. Arbeitsrechtliche Vereinbarungen und Verwaltungsprozesse gilt es anzupassen. Daher halten wir es für notwendig, dass das Inkrafttreten der Änderung in § 6 BetrAVG-E frühestens ein bis zwei Jahre nach Verkündung des Gesetzes erfolgt. Eine Übergangsregelung sollte zudem sicherstellen, dass die Neuregelung nur für Neuzusagen ab Verkündung des Gesetzes gilt.

Optionsmodelle zur automatischen Entgeltumwandlung auf Betriebsebene: Wir begrüßen es, dass das Optionssystem nicht mehr ausschließlich auf eine tarifvertragliche Grundlage beschränkt sein soll. In Zukunft stehen solche Modelle dann auch Betrieben zur Verfügung, die nicht von Tarifverträgen erreicht werden. Wir sehen aber noch rechtlichen Klärungsbedarf über das Verhältnis der Regelung zum Tarifvertragsrecht und zu den Regelungen der Entgeltumwandlung in § 1a BetrAVG. Zudem halten wir den zwingenden Arbeitgeberzuschuss von 20% für ein Verbreitungshemmnis.

Verbesserungen beim Sozialpartnermodell: Wir begrüßen es, dass in Zukunft klargestellt wird, dass eine mangelhafte, oder besser unzureichende, Beteiligung nicht zur Unwirksamkeit der reinen Beitragszusage führt. Die beabsichtigte Streichung der Absätze 2 und 3 in § 21 BetrAVG ist nachvollziehbar, da die Sachverhalte teilweise in § 24 BetrAVG geregelt werden sollen bzw. eine ohnehin bei den Tarifpartnern herrschende Praxis widerspiegeln. Wir begrüßen es, dass mit § 24 BetrAVG-E nunmehr Wege aufgezeigt werden, wie auch nicht tarifgebundene Dritte an Sozialpartnermodellen teilnehmen können. Allerdings sehen wir noch Regelungsbedarf an verschiedenen Stellen. Die Regelungen zur Wechselmöglichkeit zwischen Sozialpartnermodellen bzw. Versorgungsträgern und die geplanten Regelungen zu Abfindungen iRv Sozialpartnermodellen finden unsere grundsätzliche Unterstützung. Aber auch dort bedarf es noch weiterer rechtlicher Klarstellungen.

Verbesserungen bei der Geringverdienerförderung: Wir begrüßen die Anhebung des Förderbetrags von 288 auf 360 € und die daraus resultierende Erhöhung der steuerlich geförderten Beiträge von 960 auf 1.200 € (§ 100 Abs. 2 und Abs. 6 EStG). Darüber hinaus begrüßen wir die Kopplung der Einkommensgrenzen für die Förderberechtigten an die BBG (3% der BBG) sowie die gegenüber dem aktuellen Stand leichte Erhöhung der Einkommensgrenze von derzeit 2.575 auf 2.718 € (§ 100 Abs. 3 Ziff. 3 EStG). Für Arbeitgeber stellt die Höhe des Fördersatzes den Anreiz zur Erteilung solcher zusätzlichen Betriebsrentenzusagen dar. Wir regen daher an, den Förderprozentsatz von 30% auf 40% oder 50% anzuheben.

Änderungen im VAG und der Anlageverordnung: Wir begrüßen es, dass den Zusammenhängen zwischen Kapitalanlageregulierung, Bedeckungsanforderungen und Stresstest in Zukunft Rechnung getragen werden soll, um den Pensionskassen „mehr Rendite“ zu ermöglichen. Insbesondere die vorgesehenen Regelungen zur vorübergehenden Unterdeckung von Pensionskassen und die vorgesehene Weiterentwicklung der Anlageverordnung unterstützen wir sehr. Wir beschränken uns daher auf einige Änderungsvorschläge und Bitten um Klarstellungen.

Pensionskassen: Vor dem Hintergrund der erforderlichen Flexibilisierung von Erwerbstätigkeit und Ruhestand unterstützen wir eine Änderung im § 232 Abs. 1 Nr. 2 VAG. Wir gehen davon aus, dass auch in Zukunft aufsichtsrechtlich keine individuellen Prüfungen der Pensionskassen hinsichtlich des (teilweisen) Wegfalls des Erwerbseinkommens erfolgen müssen. Ferner schlagen wir zur Klarstellung vor, die Möglichkeit der teilweisen Auflösung der Verlustrücklage durch eine Ergänzung von § 193 VAG explizit gesetzlich zu verankern, um den obersten Vertretungen einen größeren Spielraum zu verschaffen.

Pensionsfonds: Wir begrüßen die Ergänzung der Leistungsformerbringung von Pensionsfonds durch Ratenzahlungen. Sterbegeldzahlungen sollten nicht nur an den engen Kreis von Hinterbliebenen erbracht werden dürfen. Wir regen an, die im § 236 Abs. 3 VAG-E vorgesehenen technischen Regelungen in der Pensionsfondsaufsichtsverordnung zu verankern.

Weitergehender Reformbedarf: Wir halten es u.a. für dringend geboten, die folgenden Punkte noch in den Gesetzgebungsprozess für ein 2. Betriebsrentenstärkungsgesetz einzubringen:

  • Mehr Generationengerechtigkeit: faire Eingriffsmöglichkeiten in bestehende Zusagen zulassen.
  • Beitragszusagen mit Mindestleistung und beitragsorientierte Leistungszusagen besser nutzbar machen.
  • Dotierungshöchstgrenze im Steuer- und Sozialversicherungsrecht vereinheitlichen.
  • Ertragssteuerliche und handelsbilanzielle Bewertung von Direktzusagen anpassen und soweit wie möglich vereinheitlichen.
  • Verwirrende beitragsrechtliche Situation in der Leistungsphase beseitigen.
  • Verbesserungen durch das 4. Bürokratieentlastungsgesetz auch im Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung nachvollziehen.

 

 
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